Andropause: Adieu Männlichkeit?

Es kommt die Zeit im Leben eines Mannes, in der die Testosteronproduktion langsam abnimmt. Die Körperkraft schwindet, die physische Erscheinung verändert sich, die Libido lässt nach. Ein ganz normaler Alterungsprozess – oder gibt es die Wechseljahre auch bei Männern?
Zeiten ändern sich und mit ihnen auch der Begriff der Männlichkeit. Ein «richtiger» Mann sollte früher draufgängerisch sein und stark, Familienoberhaupt und Ernährer. Ein richtiger Mann ist heute aber auch fürsorglich und verletzlich, kann Hausmann oder Krankenpfleger sein und darf aus dem klassischen Männerbild ausbrechen. Vorbei sind die Zeiten, in denen etwas typisch männlich oder typisch weiblich war. Aber ganz egal, wie man Männlichkeit definiert – mit dem natürlichen Alterungsprozess verändert sie sich.

Ab dem 40. bis 50. Lebensjahr können Kraft und sexuelles Verlangen nachlassen, und die physische Erscheinung ändert sich. Das kann unter anderem mit einem tieferen Hormonspiegel zusammenhängen. Im Gegensatz zur Menopause der Frau ist es ein schleichender, sehr langsamer Prozess und deshalb nur bedingt vergleichbar. Die Produktion von Testosteron – also des männlichen Sexualhormons – nimmt bei gesunden Männern langsam über viele Jahre oder sogar Jahrzehnte ab, hört aber nie ganz auf. Dieser Lebensabschnitt des Mannes, der von einer nachlassenden Hormonproduktion gekennzeichnet ist, wird umgangssprachlich in Anlehnung an die weibliche Menopause als Andropause (andro steht altgriechisch für «Mann, männlich») bezeichnet.


Gibt es die Andropause wirklich?

«Die Frage, ob es die Andropause überhaupt gibt, wird sehr unterschiedlich beantwortet», weiss Dr. Silke Schmitt Oggier, Chefärztin Telemedizin von santé24. «Streng medizinisch-wissenschaftlich betrachtet gibt es die Andropause nicht, der Begriff wird populärwissenschaftlich aber genutzt, um das Lebensmittetief von Männern zu erklären.» Mit den Wechseljahren vergleichen lasse sich dieser Prozess nicht: «Bei Frauen wird zwischen Mitte 40 und Mitte 50 innert relativer kurzer Zeit die Produktion der weiblichen Sexualhormone praktisch auf null heruntergefahren. Die Fortpflanzungsfähigkeit wird gekappt – ein einschneidendes Ereignis», erklärt die Expertin. Bei den Männern falle dieses Abrupte weg. Die Grenzen zum normalen Alterungsprozess sind fliessend.


Fundamentale Fragen und Midlife-Crisis

Ob es die Andropause gibt, oder nicht: Dieser Lebensabschnitt des Mannes bringt generell viele Veränderungen mit sich. Beruflich ist man mit 50 Jahren oft an einem gewissen Punkt angelangt, an dem die Karriere stagniert. Das Familienleben ändert sich ebenfalls: Die Kinder sind selbstständiger oder ziehen aus, und die Partnerschaft gelangt an einen Scheidepunkt, vertagte Konflikte und Bedürfnisse müssen geklärt werden. Mann hat wieder Zeit, sich seiner körperlichen Fitness zu widmen. «Die psychische Befindlichkeit von Männern verhält sich wie eine U-Kurve und erreicht mit 50 einen Tiefpunkt. Die positive Botschaft: Es geht wieder aufwärts», sagt Schmitt Oggier. «Ob all die Fragen zu diesem Tiefpunkt führen oder der Tiefpunkt zu all diesen Fragen spielt an sich keine Rolle. Dass es die Midlife-Crisis gibt, ist unbestritten.»

Ebenfalls unbestritten ist, dass Zivilisationskrankheiten wie Übergewicht, Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen und Diabetes auf dem Vormarsch sind. Sie können sowohl zu einer überdurchschnittlichen Abnahme des Testosterons als auch zu einer Verstopfung der kleinen Blutgefässe führen. Das äussert sich unter anderem in Erektionsproblemen, kann aber auch zu einem Herzinfarkt oder Hirnschlag führen.


Das Älterwerden akzeptieren

Wie können Männer mit diesem Lebensabschnitt der Veränderung umgehen? «Die meisten Männer finden den Rank wieder. Es ist der ideale Zeitpunkt, die eigene Achtsamkeit in den Fokus zu stellen und ein gesünderes Leben anzustreben», erklärt Schmitt Oggier. Mit Bewegung, der richtigen Ernährung, der Reduktion oder dem Verzicht auf Alkohol und Tabak und einem gesunden Körpergewicht lassen sich die Testosteronrezeptoren tatsächlich wieder hinaufregulieren, womit weniger Testosteron für die Wirkung an den Organen benötigt wird. «Wer aber wirklich merkt, dass er trotz genügend Bewegung und gesundem Körpergewicht an Körperkraft verliert, auch an sexueller Kraft, und das Gefühl hat, dass etwas nicht stimme, sollte das beim Hausarzt, beim Urologen oder in einer andrologischen Sprechstunde abklären.» Bei einem Teil der Männer lohnt sich dann eine Testosteron-Ersatztherapie und eine Überprüfung anderer körperlicher Risiken.

 

Welche Check-ups sind sinnvoll?

Mit dem VorsorgeCheck der BENECURA-App lässt sich einfach und schnell erfahren, welche Vorsorgeuntersuchungen aufgrund der individuellen Vorgeschichte, des Alters, der Risikofaktoren oder des Geschlechts sinnvoll sind: swica.ch/benecura
14.05.2024 / aktuell 2-2024