Humor, Musik und soziale Kontakte – natürliches Doping für unser Hirn

Der Anteil älterer Menschen an der Schweizer Bevölkerung nimmt zu. Hochrechnungen des Bundes zeigen: Im Jahr 2017 Geborene werden nach ihrem 65. Geburtstag noch rund 28 bis 30 Jahre leben. Evelyn Mauch, Neurologin und leitende Ärztin santé24, erklärt, warum kognitive Fähigkeiten entscheidend sind für ein gesundes Altern. Und wie dem schleichenden Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit entgegengewirkt werden kann.

Das menschliche Gehirn nimmt permanent Signale aus der Umwelt wahr, verarbeitet Erlebnisse und ermöglicht das Denken und Fühlen. Ein komplexes Zusammenspiel verschiedener geistiger Kompetenzen. Doch mit dem Körper altert auch das Gehirn. Die Neuronen (Nervenzellen) arbeiten langsamer – kognitive Leistungen wie Erinnerungsvermögen, Wahrnehmungsfähigkeit, Sprech- und Hörvermögen oder die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung nehmen ab. Ungünstige Parameter wie sportliche Inaktivität, Rauchen, fehlende soziale Kontakte sowie Bluthochdruck und Diabetes können die Hirnleistung zusätzlich beeinträchtigen.

Die gute Nachricht: Wir haben unsere «Hirnfitness» weitgehend selbst in der Hand. «Ein aktiver, gesunder Lebensstil trägt mehr als 60 Prozent zur Hirngesundheit bei», erklärt Neurologin Evelyn Mauch. Und: «Mit gesunden Verhaltensweisen kann das Demenzrisiko um bis zu 43 Prozent gesenkt werden.» Ein weiterer wichtiger Baustein für ein leistungsfähiges Gehirn ist die Ernährung. Sie sollte zuckerarm sein und aus viel Gemüse, Beeren, Eiweiss und Omega-3-Fettsäure-haltigen, möglichst unverarbeiteten Nahrungsmitteln bestehen.

Was braucht unser Hirn, um langfristig gesund zu bleiben?

«Die Forschung zeigt, dass sich bis ins hohe Alter neue Nervenzellen bilden», sagt Mauch. Denn so wie Sport unseren Körper fit hält, lasse sich auch unser «Denkmuskel» trainieren. Mauch ergänzt: «Unser Hirn braucht regelmässige spielerische Herausforderungen, um leistungsfähig zu bleiben. Seien es neue Aufgaben im Beruf oder ein soziales Engagement. Je mehr Freude und Leichtigkeit dabei im Spiel ist, umso mehr aktivieren diese Reize verschiedene Hirnregionen. Es entstehen laufend neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen, sogenannte Synapsen.» Wer zudem mit wachem Interesse durchs Leben geht, trotz der unsicheren Weltlage und persönlichen Rückschlägen den Humor nicht verliert und möglichst generationsübergreifend soziale Kontakte pflegt, stärkt Gehirn und Wohlbefinden nachhaltig.


Musik kann die Hirnalterung verlangsamen und ist gut für die Seele

«Man ist nie zu alt, um ein Musikinstrument zu erlernen», betont Mauch. «Musizieren reduziert nicht nur Stress, es aktiviert auch mehrere Gehirnareale gleichzeitig. Musikalisches Training fördert die Konzentrations- und Problemlösungsfähigkeit, stärkt die Gedächtnisleistung und macht einfach Freude», ergänzt die Neurologin. Und stellten sich nach einer gewissen Zeit der Übung erste Erfolge ein, wirke sich das auch positiv auf die Psyche aus. Gleiches gilt für das Tanzen: Die Bewegung zu Musik trainiert nicht nur das Herz-Kreislauf-System, sondern auch das dynamische Gleichgewicht und die räumliche Orientierung. Die vielen Schritte und Drehungen erfordern ein Höchstmass an Konzentration und stimulieren das Gehirn auf verschiedenen Ebenen. «Studien zeigen zudem, dass Musizieren, Tanzen oder auch Singen mit anderen Menschen das Zusammengehörigkeitsgefühl fördert und das Wohlbefinden stärkt», sagt die santé24-Ärztin.

 

Prävention im Alter

Als zuverlässige Gesundheitspartnerin unterstützt SWICA einen aktiven Lebensstil mit vielseitigen Präventionsangeboten und grosszügigen Beiträgen an die Gesundheitsförderung.
Fragen an Dr. Barbara Studer, Initiantin, Mitgründerin und CEO Hirncoach AG

Bis zu zwei Drittel der Hirngesundheit können wir selber beeinflussen ‒ das zeigt die Forschung. Was ist das Besondere am Gehirntraining «Fit im Alter»? Wie muss man sich so ein Training vorstellen, und wieviel Zeit nimmt es in Anspruch?

Mit einem gesunden, aktiven Lebensstil können wir unsere Hirngesundheit definitiv stark beeinflussen. Bei unseren Hirntrainings geht es um die Vermittlung der Erkenntnisse aus der Hirnforschung: Wir zeigen in unserem Programm die «Schutzfaktoren» auf und wollen die Menschen inspirieren, unsere Empfehlungen aktiv in ihren Alltag einzubauen. Zudem beinhaltet das Trainingsprogramm herausfordernde Übungen zur spielerischen Stimulierung der kognitiven Fitness und kurze Videoimpulse zu Themen wie beispielsweise gesunde Ernährung. Um spürbare Veränderungen zu erreichen, nimmt man sich idealerweise zwei bis drei Mal pro Woche rund zehn Minuten Zeit für die verschiedenen Übungen zur Stärkung des Arbeitsgedächtnisses.

Welchen Einfluss hat das Programm «Fit im Alter» auf das Demenzrisiko?

Die Forschung hat in den letzten Jahren gezeigt, welche Risikofaktoren Demenz begünstigen können. Sogenannte Metanalysen (zusammenfassende Analysen) haben ergeben, dass mit einem gesunden Lebensstil das Demenzrisiko um rund 40 Prozent gesenkt werden kann. Das sind ermutigende Resultate. Der Alterungsprozess des Hirns kann zwar nicht aufgehalten werden. Sehr wohl aber die Geschwindigkeit, in der dieser voranschreitet. Wir kennen heute Massnahmen, die dazu beitragen können, die Gehirnfunktionen im Alter zu unterstützen und zu erhalten. Mit solchen Tipps und gezielten Übungen, können die Nutzerinnen und Nutzer des Programms «Fit im Alter» ihr Hirn laufend stärken und schützen. Dadurch bildet sich eine sogenannte kognitive Reserve. Dieser Puffer sorgt dafür, dass das Hirn trotz altersbedingter, biologischer Abbauprozesse gut arbeiten und seine Leistung erbringen kann.

Welche Rolle spielt die Hörfähigkeit im Zusammenhang mit Demenz?

Die reduzierte Stimulation durch auditive Informationen führt zu strukturellen Veränderungen im Hirn von Menschen mit eingeschränkter Hörfähigkeit. Weil Menschen mit vermindertem Hörvermögen viel mehr geistige Ressourcen aufbringen müssen, kann beispielsweise das Folgen eines Gesprächs sehr anstrengend werden. Dadurch baut sich der kognitive Puffer ab. Es droht die soziale Isolation, weil man aus Angst, Gesprächen nicht mehr folgen zu können, gar nicht mehr daran teilnimmt. Laut neusten Studien kann uns soziale Isolation bis zu zwölf Lebensjahre rauben. Deshalb ist es wichtig, trotz Einschränkungen weiterhin so gut wie möglich am sozialen Leben teilzunehmen und gegebenenfalls vom Fachspezialisten abklären lassen, ob ein Hörgerät sinnvoll ist.

Präventiv lohnt es sich, die Ohren bereits in jungen Jahren vor Lärm zu schützen. Die Hörfähigkeit kann mit der spielerischen Integration von Hörübungen in den Alltag stimuliert und trainiert werden: Beim Kochen zum Beispiel bewusst das Geräusch des kochenden Wassers wahrnehmen. Oder sich in einer Gruppe von Menschen abwechselnd auf die verschiedenen Stimmen fokussieren. Beim Waldspaziergang einfach mal die Augen schliessen und sich auf die verschiedenen Klänge in der Natur konzentrieren.

Laut neusten Studien kann uns soziale Isolation bis zu zwölf Lebensjahre rauben. Dr. Barbara Studer, CEO Hirncoach AG

Der Eintritt in das Pensionsalter wird als vulnerable Phase angesehen. Warum ist das so? Gibt es hierfür ein spezielles Training?

Aus der Forschung wissen wir, dass die Pensionierung ein Risikofaktor für Demenz sein kann. Für viele Menschen geht die Pensionierung mit einer starken Veränderung des Lebensstils einher. Strukturelle Routinen wie Aufstehen, Arbeiten oder eine Aufgabe haben fallen weg. Oftmals geht vergessen, dem neuen Lebensabschnitt eine gewisse Struktur zu geben und ihn mit Beschäftigungen zu füllen, die Freude bereiten. Das Hirn braucht nach wie vor Stimulation. Deshalb ist das beste Rezept für ein fittes Hirn, die Zeit nach dem Erwerbsleben bewusst und aktiv zu gestalten, sozial integriert zu bleiben, generationsübergreifende Kontakte zu pflegen und eine sinnstiftende Aufgabe zu haben. Letztendlich geht es auch um eine positive Veränderung des Altersbildes im Sinne von offen sein für neue Begegnungen und bereit sein, Neues zu lernen. Hirncoach bietet als Unterstützung für frisch Pensionierte ein halbjähriges, digitales Programm «Jetzt erst recht» an mit vielen spannenden Impulsen und Empfehlungen für die Hirngesundheit, inklusive einem Forum für den gegenseitigen Austausch.

Welcher Zusammenhang besteht zwischen einer Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung und Demenz?

Es gibt noch zu wenig Daten, um diesen Zusammenhang zu bestätigen. Nur einzelne Beobachtungen deuten darauf hin, dass Erwachsene mit ADHS ein erhöhtes Risiko haben könnten, an einer bestimmten Form von Demenz, der sogenannten Lewy-Körper-Demenz, zu erkranken. Es wird vermutet, dass bestimmte Stoffwechselprozesse, die bei ADHS-Patientinnen und -Patienten verändert sind, gewisse kognitive Defizite begünstigen können. Es braucht aber definitiv mehr Forschung, die solche Zusammenhänge untersucht. Manche Menschen mit ADHS sind zudem mit ihrer Situation überfordert und ziehen sich zurück, was wiederum das Risiko für Demenz erhöht.

Risikofaktoren kognitiver Abbau und Demenz

  • Geringe Bildung in der frühen Lebensphase
  • Hörverlust
  • Schädel- Hirntrauma
  • Bluthochdruck
  • Fettleibigkeit
  • Übermässiger Alkoholkonsum
  • Diabetes mellitus
  • Depression
  • Bewegungsmangel
  • Rauchen
  • Soziale Isolation
  • Belastung durch Luftverschmutzung

 
Quelle: Lancet

Einfache Übungen für den Alltag

Mit diesen leicht in den Alltag integrierbaren Übungen lassen sich die kognitiven Fähigkeiten spielerisch stärken:

  • Fokus: Den Blick auf einen Punkt oder Gegenstand richten und für eine bestimmte Zeitspanne fixieren. Dabei an verschiedene Ideen denken, was man mit diesem Gegenstand tun könnte.
  • Konzentration: Einen Satz bilden, der aus mindestens fünf Wörtern besteht, die alle mit dem gleichen Buchstaben beginnen. Komplexität steigern, mit seltener vorkommenden Anfangsbuchstaben wie «Y».
  • Atmung: Bequem und aufrecht sitzen. Drei Sekunden tief durch die Nase einatmen, drei Sekunden den Atem halten, drei Sekunden durch den Mund ausatmen und weitere drei Sekunden den Atem halten.
  • Gleichgewicht: Beim Zähneputzen abwechselnd auf einem Bein stehen (mind. 45 Sekunden pro Bein).
  • Koordination: Jonglieren fördert den Austausch zwischen den beiden Gehirnhälften und trainiert die Reaktionsfähigkeit. Mit zwei Bällen starten.
13.02.2024 / aktuell 1-2024