Chronisch: Krankheit in den Griff bekommen

Die richtige Behandlung bei chronischen Krankheiten ist anspruchsvoll. Eine Studie hat gezeigt, dass strukturierte Betreuungsprogramme und eine integrierte Versorgung diese hohen Anforderungen erfüllen können.
SWICA ist im Bereich integrierte Versorgung seit Längerem sehr aktiv. Dabei geht es darum, die Leistungserbringer wie Ärztinnen und Ärzte, Spitäler oder Apotheken mit den Patientinnen und Patienten sowie den Kostenträgern (Bund, Kantonen und Krankenversicherungen) zu vernetzen und die Versorgung zu koordinieren. Bei allen Aktivitäten steht dabei eine qualitativ hochwertige, patientenzentrierte Versorgung im Mittelpunkt. Die Versicherten werden individuell dabei unterstützt, gesund zu bleiben, gesund zu werden oder mit einer gesundheitlichen Einschränkung gut zu leben. Ein Beispiel dafür, wie SWICA integrierte Versorgung umsetzt, sind sogenannte Disease-Management-Programme (DMP), auch Chronic Care Management genannt. Sie vernetzen die behandelnden Gesundheitsfachpersonen und beziehen die Patientin bzw. den Patienten aktiv mit ein.

Mit strukturierter Behandlung zum Erfolg

DMP stellen dem Patienten einen Partner zur Seite, der niederschwellig erreichbar ist, seine Krankengeschichte kennt und seinen Behandlungspfad koordiniert. Im Jahresrhythmus erarbeiten die Patientin bzw. der Patient zusammen mit der Betreuungsperson einen auf die persönlichen Bedürfnisse abgestimmten, individuellen Therapieplan (beispielsweise mit Ernährungsberatung, Physiotherapie, regelmässigen Kontrolluntersuchungen, Anpassungen der Medikamente). Der Plan wird am Ende der Periode, wiederum zusammen mit der Patientin bzw. dem Patienten, auf seinen Erfolg geprüft und bei Bedarf angepasst. Speziell weitergebildete medizinische Praxisassistentinnen und -assistenten übernehmen dabei eine zentrale Rolle als Ansprechpersonen.

Studie bestätigt Wirksamkeit bei Diabetes

Heute bieten erst wenige Arztpraxen solche strukturierten Programme an. SWICA arbeitet mit verschiedenen schweizweit tätigten Gesundheitszentren und Ärztenetzen wie Medbase, Sanacare oder MediX zusammen, damit die Versicherten Zugang zu Programmen bei Diabetes, Bluthochdruck, COPD und koronarer Herzkrankheit haben. Dass diese Art von integrierter Versorgung funktioniert, hat das Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie (WIG) der ZHAW gezeigt. Zusammen mit SWICA und Medbase hat es eine Begleitstudie zum Diabetes-Programm von Medbase durchgeführt. Die Ergebnisse zeigen, dass die Behandlungsqualität von Diabetespatientinnen und -patienten besser ist und die Kosten dank dem Betreuungsprogramm tiefer sind.

2,2 Millionen Betroffene

Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) leiden in der Schweiz 2,2 Millionen Menschen an einem chronischen Leiden. Das bedeutet, dass ein Viertel der Bevölkerung mindestens mit geringen, vielleicht aber auch mit starken Einschränkungen lebt. Neben dem Einfluss auf die Lebensqualität der einzelnen Person hat das auch Folgen für die Volkswirtschaft: Rund 80 Prozent der Gesundheitskosten werden durch nicht ansteckende Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs oder Atemwegserkrankungen (COPD) verursacht. Mehr zu den von SWICA unterstützten DMP: swica.ch/disease-management

Strukturierte Behandlung hilft Betroffenen und senkt Kosten

Christian Frei, Leiter integrierte Versorgung bei SWICA, spricht im Interview darüber, was die Resultate der Studie für die Zukunft von strukturierter Betreuung bedeuten.

Warum ist die Behandlung von chronischen Krankheiten im heutigen Gesundheitssystem eine Herausforderung?

Es gibt verschiedene Faktoren, die zu einer Unterversorgung führen können. Ärztinnen und Ärzte stehen unter ständigem Zeitdruck, was Auswirkungen auf die ausführliche Besprechung oder die Nachversorgung haben kann. Wichtig wäre der Einbezug von weiteren Fachpersonen, was jedoch längst noch nicht dem Standard entspricht. Geschieht dies doch, können mangelnde Koordination und Doppelspurigkeiten zu einer Fehl- oder Überversorgung führen. Ein weiterer Knackpunkt: Es ist sehr wichtig, dass sich die Betroffenen selber für ihre Gesundheit engagieren. Denn die Behandlung einer chronischen Krankheit ist nicht abgeschlossen, wenn die akuten Symptome abgeklungen sind und die Untersuchung beim Arzt abgeschlossen ist. Um selbständig aktiv zu werden, fehlt allerdings vielen das nötige Wissen sowie Unterstützung im Alltag.

Was hat die Begleitevaluation der ZHAW zum strukturierten Betreuungsprogramm bei Diabetes Mellitus von Medbase konkret ergeben?

Die Teilnehmenden erhielten die notwendigen Leistungen für eine optimale Diabetesbehandlung häufiger, die Hospitalisierungsrate war geringer und die Kosten pro Person und Jahr um 900 Franken tiefer.

Was bedeuten die Ergebnisse für die Zukunft von strukturierter Betreuung?

Der positive Effekt von DMP muss langfristig erst bestätigt werden. Aber die Resultate legen nahe, dass der Weg der integrierten Versorgung und der engen Zusammenarbeit aller Akteure im Gesundheitswesen richtungsweisend für eine optimale Gesundheitsversorgung sind.

Wie wirken Disease-Management-Programme diesen Problemen entgegen?

DMP bietet Struktur: Der individuelle Behandlungsplan basiert auf anerkannten, evidenzbasierten medizinischen Leitlinien. Es werden Therapieziele zwischen den betreuenden Gesundheitsfachpersonen und der Patientin bzw. dem Patienten vereinbart, jährlich überprüft und angepasst. Damit sind die Betroffenen direkt in die Behandlung involviert. Zudem erfolgt die Betreuung durch ein interprofessionelles Team. So erhalten die Patienten eine umfassendere Beratung und eine engere Begleitung als bei ausschliesslich ärztlichen Konsultationen.

Und das alles führt zu einer besseren Behandlung?

Ja. Das Winterthurer Institut für Gesundheitsökonomie (WIG) der ZHAW hat zum Betreuungskonzept bei Diabetes Mellitus von Medbase über drei Jahre zwischen 2017 und 2019 eine Begleitevaluation durchgeführt. Diese hat gezeigt, dass damit die Qualität der Behandlung gesteigert und die Kosten gesenkt werden. Die Behandlungsqualität wurde verbessert und die Teilnehmenden erhielten die gemäss Guidelines notwendigen Leistungen für eine optimale Diabetesbehandlung häufiger als die Kontrollgruppe. Die Kosten pro Person und Jahr waren gleichzeitig um zehn Prozent (900 Franken) tiefer, da insgesamt weniger ambulante und stationäre Leistungen anfielen. Auch die Hospitalisierungsrate war unter den Teilnehmenden geringer als in der Kontrollgruppe. Nicht alle Ergebnisse sind jedoch statistisch signifikant. Bis Langzeitdaten zur Verfügung stehen, sind die Resultate daher noch mit Vorsicht zu interpretieren.

Wie wichtig sind die Begleitevaluation und ihre Ergebnisse für die Zukunft von Disease-Management-Programmen?

Die Begleitevaluation ist eine schweizweit einmalige Gelegenheit, den Effekt eines strukturierten, auf Guidelines basierenden Betreuungskonzepts bei chronisch kranken Personen zu messen. Die Resultate zeigen erstmals schwarz auf weiss, wie sich eine koordinierte Betreuung auf die Behandlungsqualität und die Kosten auswirkt. Richtungsweisend sind aber nicht nur die Ergebnisse, sondern auch die interdisziplinäre Kooperation von Gesundheitszentren, Wissenschaft und einer Krankenversicherung. Die enge Zusammenarbeit ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor für die dauerhafte Verankerung von Disease-Management-Programmen in der Grundversorgung. Die Verbreitung dieses Ansatzes ist weitaus wahrscheinlicher, wenn die Leistungserbringer die wissenschaftlichen Erkenntnisse direkt ins Ärztekollektiv tragen, als wenn eine Krankenversicherung die Ärzteschaft vom Erfolg dieser Konzepte überzeugen möchte.

Medizinische Fusspflege bei Diabetes wird ab nächstem Jahr vergütet
Die durch Podologinnen und Podologen durchgeführte medizinische Fusspflege bei Personen mit Diabetes wird ab Januar 2022 von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) vergütet. Voraussetzung ist eine ärztliche Anordnung. Der Zugang zur medizinischen Fusspflege wird dadurch verbessert. Durch die regelmässige medizinische Fusspflege bei Personen mit Diabetes können offene Wunden, Infektionen sowie daraus folgende Amputationen von Zehen oder des ganzen Fusses vermieden werden. Damit die Podologinnen und Podologen im Rahmen der OKP abrechnen können, müssen sie durch den Kanton zugelassen sein und eine entsprechende Qualifikation und Berufserfahrung vorweisen. Die Übernahme der Kosten für die medizinische Fusspflege durch die OKP führt einerseits zu Mehrkosten, andererseits ist mit Einsparungen zu rechnen, weil gesundheitliche Komplikationen verringert werden. Die geschätzten jährlichen Folgekosten belaufen sich nach Ablauf der ersten fünf Jahre auf 16 Millionen Franken und reduzieren sich nach fünf weiteren Jahren auf 10 Millionen Franken.