Braucht die Schweiz eine nationale Spitalplanung?

Vergleiche mit anderen Ländern zeigen, dass sich die Schweiz eine enorm hohe Dichte an Spitälern leistet. Fachleute sind sich einig, dass die Bildung kantonsübergreifender Versorgungsregionen nicht zuletzt aus Kostengründen sinnvoll wäre. Doch obwohl viele Spitäler grosse finanzielle Probleme haben, geschieht kaum etwas. Soll nun der Bund das Heft in die Hand nehmen?

Pro

«In der Schweiz tragen die Kantone die Verantwortung für die Gesundheitsversorgung. Das Resultat dieser Rollenzuteilung zeigt leider deutlich, dass der Föderalismus hier an seine Grenzen stösst. Eine Versorgungsplanung durch 26 Kantone ist zu kleinräumig, um den Ansprüchen wirtschaftlicher Effizienz und insbesondere dem Fachkräftemangel Rechnung zu tragen. Die Kantone haben die Spitalplanung in der Vergangenheit primär an ihrer Standortattraktivität ausgerichtet. Jeder Kanton möchte vor Ort attraktive Arbeitsplätze und ein möglichst umfassendes medizinisches Angebot. Als Folge haben wir heute in der Schweiz zu viele Spitäler mit zu vielen Dienstleistungen. Nur eine übergeordnete Planung über die Kantonsgrenzen hinweg kann diesen «Kantönligeist» übersteuern. Ob dies über eine nationale Planung durch den Bund, eine gemeinsam koordinierte Planung zwischen Bund und Kantonen, ökonomische Anreize oder andere Wege erreicht wird, ist offen und darf durchaus diskutiert werden. Aber man darf es nicht auf die lange Bank schieben; denn der Status quo ist keine zukunftsfähige Option. Wir müssen aus den Silos der starren Spitalstrukturen ausbrechen und in wesentlich flexibleren, durchgängigen Netzwerken agieren.»

Martin Landolt 

Martin Landolt
Verwaltungsratspräsident von santésuisse

Contra

«Eine Verschiebung der Spitalplanungskompetenzen von den Kantonen zum Bund wäre nicht sinnvoll. Die Kantone nehmen ihre Aufgabe der Spitalplanung sehr wohl wahr. Die spitalstationären Leistungen wachsen nicht schneller, sondern langsamer als die übrigen Positionen. Wichtig ist, dass die gesamte Versorgung stimmt und auch das Zusammenspiel mit anderen Leistungserbringern angeschaut wird (z.B. Spitex, Pflegeheime, Arztpraxen). Die Spitalplanung ist ein Spagat: Die Kantone müssen Überkapazitäten vermeiden, aber sie müssen eben auch die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherstellen. Bei Covid-19 zeigte sich der Wert einer Spitallandschaft, die auch Auslastungsspitzen auffangen kann. Dem Bund fehlt die Nähe zum Versorgungsgeschehen und zum Bedarf der Bevölkerung. Dass die Kantone fähig sind zu einer gemeinsamen Planung, stellen sie bei der hochspezialisierten Medizin unter Beweis. Weiter gibt es verschiedene interkantonale Zusammenarbeiten, zum Beispiel gemeinsame Spitallisten. Ob und wie die Zusammenarbeit über die Kantonsgrenzen hinweg weiter gestärkt werden kann, ist ein Thema in der GDK.»


 Kathrin Huber

Kathrin Huber
Generalsekretärin der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren (GDK)

15.08.2024 / aktuell 3-2024