Alkoholkonsum: Kein Glas ist ok

Alkoholische Getränke sind fest in unserer Gesellschaft verankert. Gewohnheiten, eine kulturell geprägte Trinkkultur aber auch veraltete und falsche Studien tragen dazu bei. Der Tenor: Ab und zu ein Gläschen schadet nicht und kann sogar gesundheitsförderlich sein. Dem ist nicht so. Denn bereits Alkohol in kleinen Mengen richtet Schäden an – mehr als uns bewusst ist.

Das Feierabendbier nach getaner Arbeit, der Sekt an Neujahr oder der Kaffee mit Schuss auf der Skipiste: Alkoholhaltige Getränke sind ein ständiger Begleiter in vielerlei Situationen. Dabei ist Alkohol kulturell tief verwurzelt – vor allem in Europa. Der Konsum ist gesellschaftlich nicht nur akzeptiert, sondern wird mitunter zelebriert. Und er unterliegt strikten, wenn auch meist ungeschriebenen Gesetzen: Es wird mit Augenkontakt zugeprostet, Bier gehört sich nicht nach Wein, letzterer wird passend zum Essen gewählt und im richtigen Glas serviert. Allein trinken ist tabu, Kinder dürfen keinesfalls, Schwangere ebenfalls nicht.

Dass Konsens über die Wichtigkeit der Abstinenz für Kinder sowie schwangere und stillende Frauen herrscht, zeigt ein Bewusstsein für die Gefahren des Alkohols. Allerdings nur bis zu einem gewissen Grad. In einer mehrjährigen Untersuchung des Bundesamtes für Gesundheit gaben rund sechs Prozent aller Befragten an, während der Schwangerschaft oder Stillzeit punktuell risikoreich Alkohol konsumiert zu haben, gut jede hundertste Frau trank täglich. Alarmierende Zahlen. Noch alarmierender ist jedoch eine gemässigtere Erkenntnis: Etwa 18 Prozent der Schwangeren und Stillenden, also ungefähr jede fünfte, trinkt einmal wöchentlich. Jeweils nur wenig, aber eben doch regelmässig. Das hat viel mit falschen, sich hartnäckig haltenden Informationen zu tun.

Geister der Vergangenheit

Studien aus den 80er- und 90er-Jahren kamen zum Schluss, dass Alkohol in kontrollierten Massen nicht schädlich sei und sogar einen positiven Effekt haben könne. Das tägliche Glas Rotwein, das für die Herzgesundheit gut sei, ist ein Paradebeispiel, das auch heute noch in vielen Köpfen fest verankert ist. Damit lässt sich vielleicht auch der Alkoholkonsum während der Schwangerschaft erklären.

Mittlerweile ist bewiesen, dass Alkohol in keiner Form und Menge einen positiven Effekt auf die Gesundheit hat. Das viel besungene Herz, das davon profitieren soll, reagiert unter Umständen komplett konträr mit Vorhofflimmern, auch bei äusserst moderatem Konsum. Neue Studien beweisen, dass Alkohol Krebs verursacht. Und zwar im ganzen Körper. In Europa sind sieben Prozent aller Brustkrebsfälle direkt auf den Alkoholkonsum zurückzuführen. Über 100 potenzielle Erkrankungen kommen hinzu, viele davon sind letal.

Nervengift Alkohol

Chemisch betrachtet gibt es eine Vielzahl an Alkoholen. Dabei ist nur Ethanol, umgangssprachlich auch Trinkalkohol genannt, für den Menschen in kleinen Mengen verträglich. Andere Typen wie Methanol oder Glycol sind bereits in geringen, puren Dosen tödlich. Ethanol wirkt wie ein Nervengift. Es durchdringt die Zellwände und schädigt diese bis auf die DNA-Ebene. Auch der Abbau ist toxisch. Alkohol wird in der Leber verarbeitet, wodurch hochgiftiges Acetaldehyd entsteht, das weitere Schäden anrichtet und eine Fettleber begünstigt. Im schlimmsten Fall entsteht eine Leberzirrhose.

Das IARC, die spezialisierte Krebsforschungseinrichtung der WHO, stuft Alkohol in der höchsten Gruppe der Karzinogene – sprich für den Menschen krebserregende Stoffe – ein und stellt ihn damit auf die gleiche Stufe wie beispielsweise Plutonium, Tabakrauch oder Dieselabgase. So verwundert es nicht, dass die WHO die Empfehlung für den maximal empfohlenen Alkoholkonsum pro Kopf jüngst angepasst hat: nämlich auf null.

Fetales Alkoholsyndrom: das unbekannte Leiden

Am Beispiel von Schwangeren zeigt sich der lockere Umgang mit Alkohol in teilweise verheerendem Ausmass. Der erwähnt geringe, vermeintlich bedenkenlose Konsum aus der BAG-Studie führt allein in der Schweiz jährlich zu 200 Neugeborenen mit dem fetalen Alkoholsyndrom, kurz FAS. Weitere 1‘700 leiden an einer fetalen Alkoholspektrumstörung (FASD), dem Oberbegriff für alkoholbedingte Störungsbilder und einer leichteren Form von FAS. Die Krankheit gehört zur häufigsten nicht-genetischen geistigen Beeinträchtigung der Schweiz. Bekannt ist sie trotzdem kaum.

Bei FAS und in geringerem Masse bei FASD leidet vor allem die Entwicklung des Frontalhirns des Fötus. Vorausschauendes Denken, Impulskontrolle, Konzentration und weiteres können nach der Geburt stark eingeschränkt sein. Die Schäden entstehen, da die Leber von Föten nicht in der Lage ist, Alkohol abzubauen. Ab und zu ein kleines Glas Wein oder ein Bier sind für den sich entwickelnden Körper pures Gift.

Alkoholgewohnheit nimmt im Alter zu

Laut Sucht Schweiz werden hierzulande jährlich pro Person 8,4 Liter reiner Alkohol konsumiert. Männer trinken mehr als Frauen, etwa elf Prozent der Bevölkerung sind für die Hälfte des kompletten Konsums verantwortlich. Zwar wird tendenziell immer weniger Alkohol insgesamt getrunken. Auch das Rauschtrinken verliert mit dem Alter an Attraktivität – dafür steigt der regelmässige Konsum. 37 Prozent aller Männer und 15 Prozent aller Frauen trinken täglich. Vielleicht nur ein Feierabendbier, ein Gläschen Wein zum Essen oder ein Prosecco zum Anstossen. Vielleicht noch immer mit dem falschen Bewusstsein, dass dies gesundheitsfördernd sei.

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