Patientinnen und Patienten müssen mehr Eigenverantwortung übernehmen

Chronische Beschwerden und Mehrfacherkrankungen nehmen zu und tragen damit erheblich zum Anstieg der Gesundheitskosten bei. Eine mögliche Kostenbremse ist die verstärkte Eigenverantwortung von Patientinnen und Patienten. Erich Scheibli, Leiter SWICA-Care Management, hat darüber kürzlich an einem Podium mit Experten und Politikern diskutiert.

Die Podiumsdiskussion fand anlässlich des 5. Forum SELF in Bern statt. In der Eröffnungsrede bezeichnete Anne Levy, Direktorin des Bundesamtes für Gesundheit BAG, die Förderung der Eigenverantwortung – das sogenannte «Selbstmanagement» – künftig als zentral. Es sei ein wirksames Element einer patientenzentrierten, qualitätsvollen Begleitung von Menschen mit langdauernden Krankheiten. Und weiter: «Die Selbstmanagement-Kompetenzen müssen künftig bei jedem Behandlungspfad gefördert werden».

Um was geht es aber beim Selbstmanagement konkret? Grundsätzlich basiert es auf vier zentralen Prinzipien, welche sich auf die Haltung zwischen den Akteuren beziehen:

  • Das Selbstmanagement geht davon aus, dass sich alle Akteure auf Augenhöhe begegnen. Dass sich alle ganz bewusst respektieren, sich gleichwertig begegnen ungeachtet der unterschiedlichen Rollen und Expertisen zwischen den Fachpersonen, den Betroffenen und ihren Angehörigen. Nur so wird die aktive Mitwirkung der Betroffenen auf Augenhöhe auch möglich.
  • Eine partnerschaftliche (anstelle hierarchische) Beziehung trägt zum gemeinsamen Verständnis der Situation bei. Betroffene und Fachpersonen suchen gemeinsam nach der individuell guten Lösung. Es sind die Betroffenen, die am Ende die Entscheidungen zu treffen haben.
  • Die Sichtweisen und Prioritäten der Betroffenen haben im Zentrum des Angebots/der Behandlung zu stehen: die dann auch gemeinsam angeordnet und ausgestaltet werden sollen.
  • Die Selbstmanagement-Förderung basiert auf einem sogenannten salutogenetischen Ansatz. Dabei werden Schutzfaktoren für die Gesundheit gefördert und Risikofaktoren reduziert. Im Mittelpunkt stehen immer die Betroffenen und ihre Gesundheit, nicht die Krankheit.
Es stellt sich aber sofort die Frage: Ist das nicht reine Theorie, kaum praxisbezogen? Viele von uns gehen mit Beschwerden zum Arzt und erwarten vor allem, dass er als der Experte uns gesund macht. Das stimmt sicher bei akuten Beschwerden, beispielsweise bei Infektionskrankheiten oder Notfällen. Wenn es aber um sogenannte nicht übertragbare (chronische) Erkrankungen geht – mittlerweile 80 Prozent unserer Ausgaben im Gesundheitswesen – ist der Dialog zwischen den Fachpersonen und Betroffenen im Sinne der Prinzipien des Selbstmanagements auf eine ganz andere Basis zu stellen. Insbesondere chronische Krankheiten können durch das Verhalten der Patienten positiv beeinflusst werden.

Unsere Gesellschaft ist seit vielen Jahren im Wandel; sie entwickelt sich hin zu mehr Autonomie und höherem Stellenwert unserer individuellen Bedürfnisse. Warum ist im Gesundheitswesen in Bezug auf einen partnerschaftlichen Dialog der Patienten mit den Fachpersonen teilweise davon noch wenig zu spüren? Finanzielle Anreize, welche die Ergebnisqualität in den Vordergrund stellen fehlen noch weitgehend. Und zudem besteht die Gefahr, dass bei Zeitdruck und Fachkräftemangel das Gespräch mit den Fachpersonen zu kurz kommt. Also «Abfertigung» im Minutentakt. Wir können in unserem Gesundheitssystem in naher Zukunft kaum grundlegende Veränderungen erwarten. Aber als Patienten können wir im Sinne des «Selbstmanagements» neue Wege gehen, wie wir mit unserer Krankheit umgehen wollen.

Nicht wegen jeder Kleinig­keit in den Notfall

Zum Beispiel können sich SWICA-Kundinnen und -Kunden rund um die Uhr und jeden Tag telefonisch von santé24, dem interdisziplinären Telemedizin-Anbieter der SWICA, zu gesundheitlichen Fragen beraten, in den Bereichen Bewegung, Ernährung und psychisches Wohlbefinden begleiten und im Krankheitsfall ärztlich oder auch psychotherapeutisch behandeln lassen. Das heisst wir müssen nicht in jedem Fall eine ärztliche (Notall-)Behandlung beanspruchen oder weite Wege in Kauf nehmen. In gesundheitlichen Situationen, bei denen die persönliche Lebenssituation, zum Beispiel die berufliche Tätigkeit tangiert sind und eine unterstützende Koordination hilfreich ist, können SWICA-Versicherte durch das Care Management unterstützt werden. Ziel der Unterstützung ist es, für unsere Kundschaft gute individuelle Lösungen bei der Bewältigung der Krankheit zu finden.

Generell gilt, wer im Sinne des Selbstmanagements aktiv ist oder etwas für die Ernährung oder das Wohlbefinden tut, profitiert bei SWICA beispielsweise jährlich von attraktiven Beiträgen von bis zu 1'300 Franken (mehr erfahren). Wir haben es aber auch selbst in der Hand, unsere Haltung zur eigenen Gesundheit zu verändern. Zum Beispiel im Dialog mit den Fachpersonen die für uns wichtigen Fragen in den Vordergrund zu stellen und zu klären. Mitunter ist für einen Teil der älteren Generation ein eher partnerschaftlicher Dialog mit den Fachpersonen sicher noch gewöhnungsbedürftig. Es ist immer hilfreich, wenn wir in unserem Umfeld Personen haben, mit welchen wir über unsere gesundheitliche Situation austauschen können und uns den Umgang mit der Krankheit erleichtert.

Erfreulich ist, dass das BAG mit der Förderung von Selbstmanagement im Gesundheitswesen einen innovativen Ansatz unterstützt, der letztlich vollumfänglich den Patienten zugutekommen wird. Die politischen Diskussionen um die rasant steigenden Kosten im Gesundheitswesen stecken in einer Sackgasse, kommen nicht vom Fleck. Es fehlt oft an Solidarität und am Willen gemeinsam Lösungen zu finden. Die aktive Mitwirkung der Patienten steht noch zu wenig im Vordergrund. Das gilt es zu ändern. Denn kompetente Patienten würden im Gesundheitswesen die Kostenentwicklung positiv beeinflussen. Unser Mitdenken und Mithandeln ist also gefordert.

20.02.2023

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