Kostentreiber im Gesundheitswesen
Spitaldichte: Leistet sich die Schweiz zu viele Kliniken?
Die Schweiz hat eine der höchsten Spitaldichten weltweit. Mit über einem Drittel der Gesamtkosten des Gesundheitswesens bilden die Spitäler einer der grössten Kostenblöcke. Inwiefern wirkt sich die hohe Spitaldichte als Kostentreiber auf das Gesundheitswesen aus?
Die Schweiz verfügt über ein Gesundheitssystem auf höchstem Niveau. Insgesamt 278 Spitaleinrichtungen stellen sicher, dass der Bevölkerung die nötigen medizinischen Behandlungen zur Verfügung stehen. Günstig ist das nicht: Die Infrastruktur für ambulante und stationäre Behandlungen, die Eingriffe selbst und natürlich die Personalkosten für jedes einzelne Spital summieren sich. Auch wenn die Schweiz bei der Anzahl Spitalbetten pro Einwohner «nur» im Europäischen Mittelfeld liegt, verfügt sie über eine der höchsten Spitaldichten pro Einwohner weltweit.
Gemäss Bundesamt für Statistik fielen im Spitalbereich mehr als ein Drittel der insgesamt 86,3 Milliarden Franken an, die im Jahr 2021 schweizweit für das Gesundheitswesen ausgegeben wurden. Generell sind die Gesundheitskosten im Verlauf der letzten zehn Jahre um 35 Prozent angestiegen, unter anderem auch im Spitalsektor. Dies hat sich auf die Höhe der Prämien niedergeschlagen. Im Diskurs um die steigenden Prämien wird die hohe Spitaldichte vermehrt in Diskussionen um mögliche Sparmassnahmen thematisiert. Forderungen nach Schliessungen und Fusionen werden wieder lauter: Zu viele Krankenhäuser würden zu einer kostspieligen Überversorgung führen und zudem die Behandlungsqualität verschlechtern. Aber warum führt eine hohe Spitaldichte zu höheren Kosten?
Fast keine überregionale Spitalplanung
Für die Spitalplanung sind die Kantone zuständig. Sie müssen sicherstellen, dass es genügend Patientenbetten für ihre Wohnbevölkerung gibt. Dafür erteilen sie Leistungsaufträge und führen Spitallisten. Sie zahlen den darin aufgeführten Spitälern Kantonsbeiträge für stationäre Behandlungen – also dann, wenn die behandelte Person nach einem Eingriff mindestens eine Nacht im Spital bleiben muss. Gleichzeitig können diese sogenannten Listenspitäler ihre ambulanten Behandlungen, also ohne Übernachtung, vollumfänglich auf Kosten der Grundversicherung abrechnen. Weil die Verantwortung auf Kantons- und nicht auf Bundesebene angesiedelt ist, gibt es 26 verschiedene Spitalplanungen, eine überregionale Planung und Koordination fehlt weitgehend. Eine kleine Ausnahme bildet die Ostschweiz: St. Gallen und die beiden Appenzell konnten nach langen Verhandlungen im März 2024 erste Ansätze einer gemeinsame Spitalplanung erarbeiten. Landesweit verfügen jedoch viele Kantone weiterhin über mehrere Spitäler auf engem Raum, die die gleichen Leistungen anbieten.
SWICA setzt sich für integrierte Versorgung ein
Integrierte Versorgung will in der Gesundheitsversorgung Ineffizienzen, Versorgungsbrüche, Schnittstellenprobleme, Doppelspurigkeiten und Widersprüche sowie Versorgungslücken identifizieren, benennen und verbessern. Eine konsequente Ausrichtung der medizinischen Versorgung auf diese Ziele führt zu mehr Qualität und Effizienz, was zu tieferen Gesundheitskosten führt. SWICA baut zusammen mit dem Kantonsspital Winterthur und Medbase ein integriertes Versorgungssystem auf. Alle Infos dazu gibt es hier.
Spitalschliessungen haben es schwer
Mit der Revision der Spitalfinanzierung im Jahr 2012 wurde auf Fallpauschalen, also einen fixen Betrag pro Behandlung, umgestellt. Effizienz und Qualität der Behandlungen sollten sich auszahlen und gleichzeitig sollte die Spitaldichte gesenkt werden, indem nicht rentable Kliniken zur Schliessung gezwungen werden. Dieser Effekt ist bisher jedoch nicht – oder vielleicht noch nicht – eingetreten. Denn nicht selten werden Spitäler aus regionalpolitischen Gründen mit Finanzspritzen in Millionen- oder Milliardenhöhe künstlich am Leben erhalten. Das Kantonsspital Aarau beispielsweise wurde im vergangenen Jahr mit 240 Millionen Franken aus der Kantonskasse vor dem Konkurs gerettet, und das Spital Uster erhielt im Frühjahr von den Trägergemeinden eine Finanzspritze von 40 Millionen Franken.
Fokus auf ambulante Behandlungen
Der medizinisch-technische Fortschritt der letzten Jahre hat dazu geführt, dass immer mehr Behandlungen ambulant anstatt stationär durchgeführt werden können. Für die allgemeine Kostenentwicklung im Gesundheitswesen wirkt sich diese Zunahme dämpfend aus, weil ambulante Behandlungen im Vergleich zu stationären grundsätzlich günstiger sind. Insbesondere die Kantone haben ein zusätzliches Interesse an dieser Verlagerung: Die Spitäler können so Personal- und Aufenthaltskosten sparen und ihre Ressourcen schonen, und zusätzlich fällt die Kostenbeteiligung der Kantone weg, die bei stationären Eingriffen mindestens 55 Prozent ausmacht. Für die Krankenkassen jedoch, die die Kosten von ambulanten Behandlungen (abzüglich Franchise und Selbstbehalt) vollumfänglich übernehmen, wird diese Entwicklung sehr teuer und treibt die Prämien in die Höhe.
Mit der vom Parlament beschlossenen einheitlichen Finanzierung ambulanter und stationärer Leistungen, kurz EFAS, soll dieser Fehlanreiz ab 2028 behoben werden, sofern die Revision in der Volksabstimmung angenommen wird. Ab 2028 sollen nämlich sämtliche stationären und ambulanten Behandlungen von Kantonen und Krankenversicherungen gemeinsam finanziert werden, wobei die Kantone rund einen Viertel und die Krankenversicherer rund drei Viertel der Kosten tragen.
Luft nach oben bei der Digitalisierung
Auch in Sachen Digitalisierung besteht Aufholbedarf. Die Schweizer Spitäler sind untereinander nicht ausreichend vernetzt, die Spitalsysteme miteinander oft nicht kompatibel. Das kann dazu führen, dass Informationen zu den Patientinnen und Patienten nicht ausgetauscht und Untersuchungen mehrfach durchgeführt werden – ein weiterer Kostenfaktor. Das Elektronische Patientendossier (EPD) soll Abhilfe schaffen, indem es einen gemeinsamen Ablageort für alle Dokumente und Informationen schafft, auf den die unterschiedlichen Akteure Zugriff haben. Zudem wurde dieses Jahr das zehnjährige Projekt DigiSanté lanciert, welches die digitale Transformation des Gesundheitswesens zum Ziel hat.
Mit Compassana alle Gesundheitsdaten an einem Ort
Die App Compassana ermöglicht die einfache Koordination von ambulanten, stationären und digitalen Gesundheitsdiensten. Kundinnen und Kunden können damit ihre persönliche Gesundheitsversorgung rund um die Uhr selbstständig organisieren. Die Plattform optimiert die integrierte Versorgung und die Koordination der Behandlungswege. Alle Informationen zu Compassana gibt es hier.
In Sachen Spitaldichte steht die Schweiz vor einem Dilemma: Weder möchte man auf eine qualitativ hochstehende Versorgung in der Nähe verzichten, noch, dass die Gesundheitskosten und somit die Prämien weiter ansteigen. Die Politik ist gefordert, Lösungen zu erarbeiten, mit denen die Qualität des Gesundheitssystems erhalten bleibt, gleichzeitig aber eine weitere Kostensteigerung verhindert wird. Ein wichtiges Stichwort dazu ist die integrierte Versorgung. Sie hat zum Ziel, dass Gesundheitsdienstleistende enger zusammenarbeiten und dabei die Qualität und Effizienz verbessert und die Kosten gesenkt werden.
Serie «Kostentreiber im Gesundheitswesen»:
SWICA beleuchtet verschiedene Kernprobleme
Die Gesundheitskosten sind in den letzten Jahren massiv angestiegen. Gemäss den aktuellen Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) betrugen sie 2021 86,3 Milliarden Franken, 5,9 Prozent mehr als 2020 und 35 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor. Die Gründe dafür sind vielschichtig und komplex. In der Serie «Kostentreiber im Gesundheitswesen» beleuchtet SWICA einzelne Kernprobleme des Schweizer Gesundheitswesens, die zum steigenden Kostendruck beitragen.
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