Einheitliche Finanzierung: Segen oder Fluch für unser Gesundheitssystem?

Am 24. November 2024 wird über die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen abgestimmt. Für die Befürworter ein wichtiger Meilenstein für das Schweizer Gesundheitswesen, um Kosten zu senken. Für die Gegner eine Reform, die keine Lösungen bietet, aber neue Probleme schafft.

Von den Gegnern als Scheinreform beschimpft, wird sie von Befürworter als solidarisch angesehen, da alle Bereiche der Grundversicherung neu nach dem gleichen Schlüssel finanziert werden sollen (73,1 Prozent über Prämien, 26,9 Prozent über Steuern). Heute ist das nicht der Fall: Die Kantone beteiligen sich bislang nur an den Kosten für stationäre Leistungen. Das sorgt dafür, dass in der Schweiz vergleichsweise häufig im Spital behandelt wird, obwohl das teurer ist. In den letzten Jahren hat zwar eine Verschiebung hin zu mehr ambulanten Behandlungen stattgefunden, doch das belastet einseitig die Prämienzahler.

Dass Handlungsbedarf besteht, ist schon länger offensichtlich. Ganze 14 Jahre hat die Reform seit dem ersten Vorstoss von Alt-Nationalrätin Ruth Humbel gebraucht, bis sie Ende 2023 vom Parlament verabschiedet worden ist. Da der VPOD, der Schweizerische Verband des Personals öffentlicher Dienste, das Referendum ergriffen hat, wird das Volk am 24. November 2024 über den nächsten Meilenstein im Schweizer Gesundheitswesen abstimmen. Hinter der Reform steht eine breite politische Allianz, hinter der auch Organisationen und Verbände wie der Ärzteverband FMH, der Spitalverband H+ oder die Spitex Schweiz stehen. Für sie könnte so sogar «der Grundstein für ein Gesundheitssystem der Zukunft gelegt werden». Folgende Vorteile sieht die Allianz bei einer Annahme an der Urne:

  • Eine Stärkung der Qualität in der Gesundheitsversorgung: Mit der einheitlichen Finanzierung wird die Zusammenarbeit der ambulanten und der stationären Versorgung verbessert. So können unnötige Doppel- und Mehrfachuntersuchungen vermieden werden.
  • Hohe Einsparungen bei den Gesundheitskosten: Eine vom Bund in Auftrag gegebene Studie zeigt, dass mit der einheitlichen Finanzierung über 400 Millionen Franken pro Jahr eingespart werden können.
  • Verbesserte Arbeitsbedingungen für die Gesundheitsberufe: Durch eine Verlagerung in den ambulanten Bereich werden die Spitäler und somit auch deren Ärzte und Pflegepersonal entlastet.

 
Für die Gegner der Vorlage, wie VPOD-Präsident Christian Dandrès, ist die Reform für eine einheitliche Finanzierung hingegen eine Gefahr für das öffentliche Gesundheitssystem. Durch eine Veränderung der Finanzierung werde die Verantwortung der Kantone zu den Krankenversicherern verschoben, womit diese noch mehr Macht erhielten. «Die Kassen sind aufgrund ihrer Undurchsichtigkeit, ihrer Betriebskosten und ihrer ständigen Interessenskonflikte ein Teil des Problems des Gesundheitssystems», führte Dandrès vor den Medien aus, während seine Gewerkschaft letzten April die gesammelten Unterschriften in Bundesbern eingereicht hat. Der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) schlägt in die gleiche Kerbe. So kritisiert dessen Präsident, Pierre-Yves Maillard, dass die Reform die Kosten erhöhen und die demokratische Kontrolle über die Ressourcenverteilung untergraben würde.

Bund, Kantone und Gemeinden wie auch die Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektorinnen und -direktoren empfehlen die Reform hingegen klar zur Annahme.

In der neusten Folge des SWICA Talks Podcasts diskutieren Daniel Rochat, Departementsleiter Leistungen & Medizin bei SWICA, sowie Natascha Wey, Generalsekretärin VPOD, über die wichtigsten JA- und Nein-Argumente der einheitlichen Finanzierung. In der Oktober-Ausgabe des SWICA-Kundenmagazins aktuell widmet sich die Rubrik «Meinungen» ebenfalls diesem Thema.

Reform für eine einheitliche Finanzierung: worum handelt es sich dabei?

Das Schweizer Stimmvolk wird am 24. November 2024 über die Reform für eine einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen abstimmen. Heute werden ambulante Leistungen nur von Seiten Krankenversicherern finanziert, während stationäre Leistungen (Arztbesuch bzw. Spitalaufenthalt mit mindestens einer Übernachtung) von den Versicherern zu 45 Prozent und von den Kantonen zu 55 Prozent übernommen werden. Für Pflegeleistungen in Pflegeheimen und zu Hause leisten Versicherer wie auch Patientinnen und Patienten begrenzte Kostenbeiträge. Die Höhe dieser Beiträge wird vom Bundesrat festgelegt, während die Kantone für die Restfinanzierung zuständig sind.

Mit der einheitlichen Finanzierung werden diese drei Finanzierungssysteme durch ein einziges ersetzt. Denn neu sollen alle medizinischen Leistungen – ob stationär, ambulant oder im Pflegebereich – nach demselben Verteilschlüssel finanziert werden. Dies zu 26,9 Prozent der Nettokosten (nach Abzug der Franchise und des Selbstbehalts der Versicherten) von den Kantonen und zu 73,1 Prozent von den Versicherern.

SWICA unterstützt die Änderung des Krankenversicherungsgesetzes für eine einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen. Die gesundheitspolitischen Standpunkte von SWICA finden sich hier.

«Kostentreiber im Gesundheitswesen»:

SWICA beleuchtet verschiedene Kernprobleme

Die Gesundheitskosten sind in den letzten Jahren massiv angestiegen. Gemäss den aktuellen Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) betrugen sie 2022 91,5 Milliarden Franken, das sind umgerechnet 869 Franken pro Kopf. 1990 lag dieser Wert noch bei 334 Franken. Die Gründe dafür sind vielschichtig und komplex. In der Serie «Kostentreiber im Gesundheitswesen» beleuchtet SWICA einzelne Kernprobleme des Schweizer Gesundheitswesens, die zum steigenden Kostendruck beitragen.

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