Kostentreiber im Gesundheitswesen
Wenn der Leistungskatalog immer grösser wird
1996 wurde mit dem Bundesgesetz über die Krankenversicherung ein Obligatorium eingeführt, dass alle in der Schweiz wohnhaften Personen neu krankenversichert sein müssen. Das ist mitunter einer der Gründe, weshalb das Schweizer Gesundheitssystem als eines der besten der Welt gilt. Entgegen der ursprünglichen Erwartung sind die Prämien seit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes laufend gestiegen. Das liegt nicht zuletzt am stetigen Ausbau des Leistungskatalogs.
Mit der Einführung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) hätte eigentlich die Kostensteigerung im Gesundheitswesen gebremst werden sollen. Ein gesetzlich festgelegter Katalog, die Krankenpflege-Leistungsverordnung (KLV), definiert, welche Leistungen zu Lasten der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP) abgerechnet werden dürfen.
Die obligatorische Grundversicherung kommt für die Kosten medizinisch notwendiger Behandlungen bei Krankheit, Unfall und Mutterschaft auf. Dazu gehören zum Beispiel Untersuchungen und Behandlungen bei Ärztinnen und Ärzten, im Spital, Pflegeleistungen (zu Hause oder im Pflegeheim) und gewisse nicht-ärztliche Leistungen wie Physio- oder Ergotherapie, Logopädie oder Ernährungsberatung. Des Weiteren werden auch Kosten für bestimmte Massnahmen übernommen, die der Prävention (Gesundheitsvorsorge) dienen, wie beispielsweise vorbeugende Impfungen. Welche neuen Leistungen in den Katalog aufgenommen werden und in welchem Umfang sie von der Grundversicherung zu bezahlen sind, entscheidet das Innendepartement auf Empfehlung verschiedener Kommissionen.
Kostenzunahme: eine Vielzahl an Faktoren
2022 wurden gemäss Bundesamt für Gesundheit (BAG) medizinische Leistungen von insgesamt 37,7 Milliarden Franken via Grundversicherung finanziert. Das entspricht einem monatlichen Durchschnitt von 358 Franken pro Person. Die höchsten Kosten wurden in Arztpraxen, durch Medikamente und durch stationäre Spitalbehandlungen generiert. Darauf folgten ambulante Spitalbehandlungen und Kosten für Pflegeheime. Gemäss BAG ist die mittlere Krankenkassenprämie von 2023 auf 2024 um 8,7 Prozent gestiegen. Dabei sei die starke Kostenzunahme auf eine Vielzahl von Faktoren zurückzuführen: die alternde Bevölkerung, neue Medikamente und Behandlungen sowie eine Zunahme der Gesundheitsleistungen wie ambulante Spitalleistungen oder Physiotherapien. Die Anzahl Arztbesuche ist stabil geblieben, dafür sind die Kosten pro Besuch gestiegen.
Zudem sind gemäss BAG die Medikamentenkosten im Jahresvergleich stärker gewachsen als die restlichen Bereiche. So machen Krebsmedikamente, Immunsuppressiva und Antidiabetika 50 Prozent des Kostenanstiegs pro versicherter Person aus. Neuzulassungen mit speziell hohen Preisforderungen und der häufige Einsatz teurer Originalpräparate haben ebenfalls einen Einfluss auf das Kostenwachstum. Mit der Revision der Verordnung über die Krankenversicherung (KVV) und der KLV will der Bundesrat seit Anfang Jahr verschiedene Massnahmen zur Senkung der Medikamentenpreise umsetzen, beispielsweise durch die Förderung von Biosimilars und Generika.
Prämienanstieg wird verstärkt, statt gedämpft
Über die Jahrzehnte wurden diverse parlamentarische Vorstösse mit der Forderung eingereicht, den Leistungskatalog im KVG zu überprüfen oder zu straffen. Insbesondere die Mengenausweitung wurde als ein Grund für die Kostenzunahme im Gesundheitswesen identifiziert. Denn es gilt das Grundprinzip, dass die OKP alle vorgenommenen Leistungen von Ärztinnen und Ärzten sowie Chiropraktorinnen und Chiropraktoren vergütet, soweit diese nicht umstritten sind. Klarer definiert sind hingegen die zur OKP dazugehörigen Listen wie Analysenliste, Arzneimittelliste, Mittel- und Gegenständeliste oder die Spezialitätenliste, die Höchstpreise und/oder Limitationen festlegen.
Seit der Einführung vor knapp 30 Jahren wurden über 200 Änderungen an der Krankenpflege-Leistungsverordnung vorgenommen. Aktuell wird im Parlament über eine Motion diskutiert, die fordert, dass Brillen und Kontaktlinsen neu auch von der Grundversicherung übernommen werden sollen. Der Bundesrat lehnt das ab. Doch Wünsche zum Ausbau des Leistungskatalogs schaffen es in schöner Regelmässigkeit auf die Traktandenliste des Parlaments. Einmal sind es Zahnbehandlungen oder Patientenverfügungen, ein andermal Verhütungsmittel oder interkulturelle Übersetzungsdienste, die manche in den Katalog aufnehmen möchten. Gemeinsam ist diesen Ideen, dass sie den Prämienanstieg weiter verstärken anstatt ihn zu dämpfen.
Serie «Kostentreiber im Gesundheitswesen»:
SWICA beleuchtet verschiedene Kernprobleme
Die Gesundheitskosten sind in den letzten Jahren massiv angestiegen. Gemäss den aktuellen Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) betrugen sie 2021 86,3 Milliarden Franken, 5,9 Prozent mehr als 2020 und 35 Prozent mehr als zehn Jahre zuvor. Die Gründe dafür sind vielschichtig und komplex. In der Serie «Kostentreiber im Gesundheitswesen» beleuchtet SWICA einzelne Kernprobleme des Schweizer Gesundheitswesens, die zum steigenden Kostendruck beitragen.
Bereits erschienene Beiträge:
- Gesundheitskosten: Es wird immer mehr und teurer therapiert (7.3.2024)
- Spitaldichte: Leistet sich die Schweiz zu viele Kliniken? (18.4.2024)
- Warum die Medikamentenpreise steigen – und was man dagegen tun könnte (11.7.2024)
- Einheitliche Finanzierung: Segen oder Fluch für unser Gesundheitssystem? (31.10.2024)