
Was die Gesundheitskosten (nicht) in die Höhe treibt
Die Ausgaben im Gesundheitswesen steigen und steigen. Gründe dafür gibt es viele, Behauptungen dazu noch mehr. Die SWICA-Versorgungsforschung hat drei der gängigsten Thesen untersucht. Stützen die Daten die Behauptungen?
So viel vorweg: Die alternde Bevölkerung, Bagatellfälle im Notfall oder Homöopathie sind nicht die grossen Budgetposten im Gesundheitswesen. Das erstaunt wahrscheinlich die Wenigsten. Denn obwohl es immer wieder Stimmen gibt, die den Rauswurf von Homöopathie aus dem Leistungskatalog der Grundversicherung fordern, bewegen sich deren Ausgaben im Vergleich zu allen Gesundheitsleistungen im Promillebereich. Und Zahlen von Helsana zeigen, dass Bagatellfälle in der Notaufnahme in den letzten Jahren sogar rückläufig waren und damit zu Unrecht oft zum Sündenbock gemacht werden.
Der Frage nach den demografischen Auswirkungen auf die Gesundheitskosten hat sich die SWICA-Versorgungsforschung angenommen – und sie ist noch zwei weiteren Kostentreiber-Mythen auf den Grund gegangen.
Behauptung 1: Teurere Medizin für die alternde Gesellschaft

Die Schweizer Bevölkerung wird älter. Besonders auffällig ist die Entwicklung in der Gruppe der Hochaltrigen: Die Zahl der über 80-Jährigen hat sich gemäss dem Bundesamt für Statistik seit 1980 mehr als verdoppelt. Ein höheres Alter bringt tatsächlich oft höhere Gesundheitskosten mit sich, aber die Veränderungen in der Altersstruktur hätten deutlich ausgeprägter sein müssen, um einen wesentlichen Teil der Kostenentwicklung zu erklären.
Die Untersuchung der SWICA-Versorgungsforschung zeigt: Hätten wir zwischen 2017 und 2023 keine Veränderungen in der Bevölkerungsstruktur bezüglich dem Alter erlebt, wären die Ausgaben nur 15 Prozent niedriger ausgefallen. Damit trägt die Alterung zum Kostenwachstum bei, zählt aber nicht zu den Hauptursachen.
Behauptung 2: Die Jungen beanspruchen mehr Gesundheitsleistungen

Gegensätzlich zeigt sich die These der Denkfabrik Avenir Suisse. Sie beschreibt eine Kostenexplosion bei den 0- bis 20-Jährigen. Die SWICA-Versorgungsforschung ordnet die Zahlen ein: Tatsächlich steigen die Gesundheitsleistungen in dieser Altersgruppe überdurchschnittlich stark, bei den 19- bis 30-Jährigen sogar noch mehr als bei Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahre. Weil junge Meschen insgesamt aber viel günstiger sind als ältere, ist der Effekt auf die Gesamtkosten gering.
Nur sechs Prozent des Kostenanstiegs in den letzten sechs Jahren gehen auf das Konto der 0- bis 18-Jährigen und neun Prozent auf das der 19- bis 30-Jährigen.
Behauptung 3: Neue Medikamente sind (zu) teuer

Zwischen 2017 und 2023 sind die Ausgaben pro versicherte Person bei SWICA um 16 Prozent gestiegen, was einem Anstieg von jährlich 564 Franken entspricht. Insgesamt beläuft sich das Kostenwachstum in der obligatorischen Krankenversicherung in den letzten sechs Jahren auf 784 Millionen Franken.
Allein 30 Prozent dieses Anstiegs – nämlich 245 Millionen Franken – sind dabei auf die steigenden Medikamentenpreise zurückzuführen, wie das Team der SWICA-Versorgungsforschung berechnet hat. Aus den Daten ist zudem ersichtlich, dass der Anteil von teuren Medikamenten besonders stark zunimmt. Als teuer gilt ein Medikament, wenn es über 10 000 Franken pro Person und Jahr kostet.
Die Aussage, dass oft neue, teure Medikamente einen grossen Teil des Kostenwachstums verursachen, ist demnach richtig. Ergänzend muss aber erwähnt werden, dass schon länger verfügbare, teure Medikamente genauso verantwortlich für den Kostenanstieg sind.
«Kostentreiber im Gesundheitswesen»:
SWICA beleuchtet verschiedene Kernprobleme
Die Gesundheitskosten sind in den letzten Jahren massiv angestiegen. Gemäss den aktuellen Zahlen des Bundesamts für Statistik (BFS) betrugen sie 2022 91,5 Milliarden Franken, das sind umgerechnet 869 Franken pro Kopf. 1990 lag dieser Wert noch bei 334 Franken. Die Gründe dafür sind vielschichtig und komplex. In der Serie «Kostentreiber im Gesundheitswesen» beleuchtet SWICA einzelne Kernprobleme des Schweizer Gesundheitswesens, die zum steigenden Kostendruck beitragen.
Bereits erschienene Beiträge:
- Einheitliche Finanzierung: Segen oder Fluch für unser Gesundheitssystem? (31.10.2024)
- Warum die Medikamentenpreise steigen – und was man dagegen tun könnte (11.07.2024)
- Wenn der Leistungskatalog immer grösser wird (06.06.2024)
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- Gesundheitskosten: Es wird immer mehr und teurer therapiert (07.03.2024)